AUS DEM 1200 JAHRE HEIMATBUCH
Bauliche und infrastrukturelle Entwicklung Bargen wurde, wie sich aus den Ausgrabungen des fränkischen Gräberfeldes‘ schließen läßt, als Weiler mit zwei Höfen gegründet. Über die frühe Anlage liegen kaum Unterlagen vor, doch sind bereits vor dem dreißigjährigen Krieg „Tore“ an den Ortsausgängen nach Kälbertshausen und Wollenberg belegt,2 sodaß man wohl annehmen darf, daß der alte Ortsetter schon früh seine bis nach dem 2. Weltkrieg erhaltene Form hatte.
Die nachstehend abgedruckte wohl älteste bildliche Darstellung Bargens verdanken wir einer Karte des Wimpfener Forstes aus dem 18. Jahrhundert.
Wenn diese Zeichnung auch nicht unbedingt als genau gelten darf, so kann man doch davon ausgehen. daß der Geometer vor On war und die Skizze die Umrisse und Charakteristika der damaligen Ortschaft mindestens insoweit zutreffend wiedergibt, wie man sie aus Richtung Forst sehen konnte.
Ein Versuch, Anzahl und ungefähre Lage der Häuser um 1580 anhand der Zinsbücher der Ehrenberger zu rekonstruieren, mußte wegen widersprüchlicher bzw. wegen Vermutlicher Doppelangaben ‚ vorläufig ‚ aufgegeben werden. lm Jahre 1784 hatte der 011 {nach Widder, Versuch einer Beschreibung der Pfalz am Rheine, Bd. 1, S. 435] 73 bürgerliche und gemeine (= gemeindeeigene) Häuser nebst einer Schule und Kirche, l813 Waren bereits 90 Häuser genannt [J.B. Kolb, Historisch-statistisch-topographisches Lexikon. Bd. 1. S. 101].
Im August 1832 fertigte der Geometer Rhein den vorstehend abgedruckten Situationsplan über das Dorf Bargen an. Diese für Bargen wohl erste gründliche Kartierung wurde im alten Pfälzer Maß angefertigt, nach dem 13 lange Ruten 21 Badischen Ruten [1 Bad. Rute = 10 Fuß = ca. 3 m] entsprachen Der Grund dieser Kartierung war die Planung eines neuen „Begrabungsorts“ außerhalb des Dorfes auf herrschaftlichem Hofgut, demheutigen Friedhof, der vermutlich dritten Begräbnisstätte in Bargen. Zumindest bis 1832 gab es den, ursprünglich ummauerten, ehemals auch „Zwinger“ genannten Kirchhof hinter der damals Simultankirche, heute evangelischen Kirche.
Die erste Ruhestätte unser Bargener Vorfahren war das 1952 beim Schulhausbau entdeckte Reihengräberfeld auf der Flur „Unterm Löhl“, das sich in für merowingische Gräberfelder typischer Lage außerhalb des alten Ortsetters befand.
Der Situationsplan weist unter anderem die Simultankirche mit Kirchhof. das katholische Pfarrhaus in der heutigen Kälbertshäuserstraße, das Schulhaus. das Rathaus (heute Lebensmittelladen)„ das Schafhaus, das Wachthaus. die herrschaftliche Zehntscheucr und die Ölmühle im Oberdorf aus.
Bei dieser Katastervermessung im Jahr 1876 wurde der Ortsetter mit 181 Wohnhäusern. der Simultankirche, dem Schulhaus, den beiden Pfarrhäusem und 174 sonstigen Gebäuden kartierL Wie aus der Reproduktion hervorgeht, war das Dorf zu dieser Zeit nach Unter-, Mittelund Oberdorf, sowie Gassendorf links und rechts eingeteilt. Die Hauptstraße und die Kälbertshäuser Straße sind als damalige Hauptsiedlungsachsen zu erkennen. Als weitere Onsstraßen erscheinen im Liegenschaftskataster der Asbacher Weg, diePfarrgasse (heute Brunnengasse), das Heugäßlein, die Bruchgasse (heute Staxstraße), der Riedeisenweg und „Der Graben“ als Ortsrandweg. den Conrad von Ehrenberg bereits vor 1459 anlegen ließ.
In den Fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts bestand eine große Nachfrage nach Wohnungen, da viele Heimatvertriebene hatten aufgenommen werden müssen. Die Wohnbebauung entlang der Schulstraße (1958) mit insgesamt 24 Bauplätzen war deshalb die erste große Erschließungsmaßnahme über den historischen Ortsetter hinaus. Am Ende dieser Aufbauphase, bei zunehmender Motorisierung und damit Mobilität, wie auch gestiegenen Ansprüchen an das Wohnen auch im ländlichen Raum, wurden mit den Bebauungsplänen „Löl I“ (1962) und „Löl II“ (1968) entlang der Panoramastraße und der Schillerstraße die für die „Größe“ Bargens enorme Zahl von 94 Wohnbaugrundstücken ausgewiesen.
Der überwiegende Teil des Wachstums von Bargen lag im Wanderungsgewinn d.h. im Zuzug von außerhalb. Dies lag natürlich mit daran. daß es Bürgermeister Pipo verstand. nicht nur Baugelände auszuweisen, sondern auch die gemeindlichen Infrastruktureinrichtungen zu schaHen, die letztlich den Wohnwert einer Gemeinde ausmachen. Obwohl die Gemeinde Bargen nie besonders tinanzstark. war, schuf man gemeinschaftlich, mit viel ehrenamtlichem Engagement und besonders ausgeprägtem Bürgersinn, ein überdurchschnittliches Angebot an öffentlichen Einrichtungen. 1955 wurde das neue Schulgebäude seiner Bestimmung übergeben. Die Kanalisation der Hauptstraße und der KälbertSo häuser Straße haben dann 1960 große Finanzmittel gebunden.
Die erste zentrale Wasserversorgungs_ anlage der Gemeinde Bargen wurde im Jahre 1929 im Werrenbrunnengebiet errichtet. Die vielen Laufund Pumpbrunnen innerhalb des alten Ortsetters wurden damit entbehrlich. Heute sind die Laufbrunnen bei der Verwaltungsstelle und in der Brunnengasse erhaltenswerte Relikte aus der damaligen Wasserversorgung.
Anfang der sechziger Jahre war der technische Zustand der Wasserfassungsanlagen unzulänglich geworden. Bedenken erhoben sich aus grundwasserhygienischer Sicht. Die Wasserversorgungsanlage des Werrenbrunnéns Wurde 1967 außer Betrieb gestellt, nachdem man in der „Wettau“ Grundwasser bis in 45 Meter Tiefe antraf und erschloß. Dieser
Brunnen gewährleistet seither eine ausreichende Wasserversorgung von Bargen einschließlich des lngelheimer Hofes. Aufgrund der Neubaugebiete „lm Löl !“ und „Im Löl II“ mußte der Hochbehälter auf dem „Grafenberg“ aufgegeben und ein neuer Zweikammerbehälter im Gewann „Oberer Asbacher Weg“ mit einem Volumen von 300 Kubikmeter gebaut werden.
Der kommunale Kindergarten wurde im September 1964 eingeweiht. Der Neubau, veranschlagt mit DM 260.000.-‚ kostete dank der Mitarbeit fast der gesamten männlichen Bevölkerung schließlich nur 185.000.Mark.
l967 wurde die Turnhalle mit Lehrschwimmbecken und Hausmeisterwohnung eingeweiht. Diese für die damaligen Verhältnisse mustergültige Einrichtung war für die 824-Seelen-Gemeinde Bargen eine überdurchschnittliche Gemeinschattsleistung. Die Baukosten von 1,5 Millionen konnten nur durch viel Eigenregie und durch freiwillige Mitarbeit der örtlichen Vereine eingehalten werden.
Zehn Jahre lang war das Lehrschwimmbecken (6m x 12m) eine willkommene und nützliche Sport- und Freizeiteinrichtung, die auch überörtliche Bedeutung hatte. Zwei Jahre nach der Eingemeindung nach Helmstadt wurde das Bad wegen notwendig gewordener lnstandsetzungsarbeiten „vorübergehend“ geschlossen, trotz entsprechender Zusagen im Eingemeindungsvertrag nicht renoviert und blieb so über zehn Jahre lang ein kommunalpolitisches Streitobjekt, an dem sich immer wieder die Gemüter entzündeten.
Im Zuge des Flurbereinigungsverfahrens „Wollenbachtal“ von 1956 bis 1966 wurde der Sportplatz von den „Oberen Kehrwiesen“ an den heutigen Standort beim „Großen Brunnen“ verlegt. Auch das zweite Flurbereim’gungsverfahren „Bargen Nord“, das den Rest der Gemarkung abdeckte, verlangte trotz Zuschüssen einen großen finanziellen Aufwand der Gemeinde Bargen. 1971 konnte die Friedhofskapelle eingeweiht werden.
Mit der konjunkturellen Erholung nach der ersten Wirtschaßsrezession Mitte bis Ende der sechziger Jahre war die Bereitstellung von weiterem Bauland geboten. Durch die Baugebiete „Löl III“ (1972) und „Hofacker am Berg“ (1973) gelang es Bürgermeister Fritz Pipo und dem Gemeinderat, kurz vor dem Ende der Selbständigkeit Bargens noch einmal an der Friedhofstraße und der oberen Schillerstraße, dem Asbacher Weg und Am Berg weitere 41 Bauplätze zu schaffen.
Die Bauleitplanung sah sogar die intensive Bebauung der sicher schönsten Südhanglage im Gewarm „In den Weinbergen“ („Heilige Mauern“) vor, was eine Zunahme der Einwohnerzahl auf 2000 bis 3000 bedeutet hätte. Der fortgeschriebene Regionalund Flächennutzungsplan, aber auch die Zielplanungen zur Gemeindereform, verhindenen diese Zersiedelung der Landschaft. Auch aus ökologischer Sicht kann heute gesagt werden, daß eine derart massive Bebauung im landschaülich reizvollen Wollenbachtal unangemessen gewesen wäre.
Nach der Eingemeindung zum 1.1.1975 stagnierte die bauliche Entwicklung, weil bis 1984 kein neuer Bebauungsplan fiir den Ortsteil Bargen ausgewiesen wurde, obwohl selbst nach dem Regionalplan die Eigenentwicklung von Bargen gesichert sein sollte. Mit der Erschließung des Baugebiets „In der Ebene“ (1985) wurden den Bauwilligen dann endlich wieder 33 Bauplätze in schöner Wohnbaulage angeboten. Auch dieses Baugebiet wird in absehbarer Zeit völlig bebaut sein, wenn man davon absieht, daß die in privater Hand befindlichen Bauplätze, wie bereits in den übrigen Wohnbaugebieten, noch lange Baulücken bleiben werden. Weitere wohnbauliche Erschließungsmaßnahmen werden gerade wegen der enormen Nachfrage nach Wohnungen auch im ländlichen Raum eine kommunale Daueraufgabe bleiben.
Seit 1986 bemühen sich Ortschaftsrat und Gemeinderat, die Attraktivität des Wohnens im alten Ortskern zu steigern bzw. wenigstens zu erhalten, durch kommunale Dorfentwicklungsmaßnahmen, aber auch durch Förderung privater Initiativen zur Modernisierung und Renovierung sowie durch Umnutzung alter bäuerlicher Bausubstanz zu Wohngebäudem Es zeichnet sich bereits ab, daß diese Maßnahmen tatsächlich neues Leben in das “alte Dort“ bringen.
Seit der 1200 Jahr Feier…